Einführung in die rekonstruktive Familienforschung

  • Titel: Einführung in die rekonstruktive Familienforschung
  • Autor: Jan_2
  • Organisation: UNI FREIBURG
  • Seitenzahl: 6

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Inhalt

  • Skript Einführung in die rekonstruktive Familienforschung
  • Historische Ursprünge der FamilienforschungFamiliensoziologie
  • Einige historische Mythen
  • Herausbildung des bürgerlichen Familienideals

Vorschau

Dr. Jan Kruse: „Rekonstruktive Familienforschung“, SS 2006, Institut für Soziologie, Universität Freiburg

Skript: Einführung in die rekonstruktive Familienforschung

(die Ausfertigung dieses Skriptes basiert vor allem auf usammenfassungen von Rosemarie Nave-Herz: Ehe und Familiensoziologie. Weinheim u. München: Juventa 2005)

Historische Ursprünge der Familienforschung/Familiensoziologie

19. Jahrhundert: – Disziplin der Demografie bzw. Moralstatistik: Versuch, durch Messen, ählen und Beobachtungen soziale Regelmäßigkeiten und Kostanten festzustellen – Untersuchung von haushaltsstatistischen, sozioökonomischen und sozialpsychologischen Aspekten von Ehe und Familie Etablierung einer Familienforschung/Familiensoziologie als Reaktion auf starke soziale Wandlungen und Veränderungen im 19. Jahrhundert (Industrielle Revolution, Soziale Frage, etc.) Familienforschung als Forschung für die Politik, um Wissensgrundlagen für politisches Handeln bereitzustellen Auch damals schon – wie heute!! – dominierte öffentlich die Sichtweise auf den Wandel der Familie als sittlicher Verfall und Auflösung der Familie

Familie – schon oftmals totgesagt – und sie lebt noch immer! Aber wie? Und was ist Familie (heute)?

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Dr. Jan Kruse: „Rekonstruktive Familienforschung“, SS 2006, Institut für Soziologie, Universität Freiburg

Begriffsklärungen, Definitionsversuche

Ehe: „Mit Ehe bezeichnet man 1. eine durch Sitte und/oder Gesetz anerkannte, auf Dauer angelegte Form gegengeschlechtlicher sexueller Partnerschaft. Weiterhin ist 2. ein wesentliches Strukturmoment aller Ehen, auch der heutigen, dass sie über das Paarverhältnis auf Familie hinweist.“ (Nave-Herz 2004: 24) Emotionalität und Intimität (heute, früher war das anders) rituelle und öffentliche Bekundung vor eugen privater, weltlicher Vertrag, kirchlich, standesamtlich Lebensform der Ehe verweist auf Kinder, früher wie heute („kindorientierte Ehe“, NaveHerz) Solidarität und Kooperation, für einander einstehen (sukzessive) Monogamie Familie: keine einheitliche Definition ein spezifisches System von Verwandtschaftsbeziehungen? Abstammungslinien (vertikal), Verwandtschaft (horizontal), Haushaltsgemeinschaft (mit und ohne Produktionsfunktion) Familie nur gegeben, wenn Kinder da sind? biologisch-soziale Doppelfunktion: Reproduktions- und Sozialisationsfunktion Generationenzusammenhang Kooperations- und Solidaritätsverhältnis Ein-Eltern-Familie, „vollständige“ Familie, wei-Eltern-Familie Kernfamilie Mehrgenerationenfamilie „Generatives Verhalten“ Unter „generativem Verhalten“ verstehen die Familienforscher ein Bündel von individuellen Verhaltensweisen und Handlungsdimensionen von Männern und Frauen im Lebenslauf, die mit der menschlichen Fortpflanzung zu tun haben und somit für den Nachwuchs in einer Bevölkerung sorgen. Das generative Verhalten von Männern und Frauen in einer Gesellschaft hängt dabei von einer Vielzahl von sozialen und strukturellen Faktoren ab, die ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die reproduktive Biografieplanung von Männern und Frauen haben, worunter synonym zum Begriff des generativen Verhaltens die Gestaltung des eigenen Lebenslaufs in Hinblick auf die Realisierung oder eben auch NichtRealisierung von Familie verstanden wird.


Dr. Jan Kruse: „Rekonstruktive Familienforschung“, SS 2006, Institut für Soziologie, Universität Freiburg

Einige historische Mythen

Mythos „Drei-Generationen-Familie“ und „Familie des ganzen Hauses“: Es überwog die Kernfamilie bzw. die erweiterte Familie (Aufnahme von Seitenlinien) Aber: Differenzierung, nach Schicht/Milieu, Region Mythos hohe Kinderzahl: Unterscheidung hohe Geburtenzahl (8-12 im Leben einer Frau) vs. nicht so hohe Kinderzahl (4-6) Aber: Differenzierung, nach Schicht/Milieu, Region Erst Mitte des 19 Jahrhunderts setzte aufgrund der medizinischen und sozioökonomischen Forschritte die Erscheinung großer Familien ein, aber auch nur für relativ kurze eit, da sich dann das generative Verhalten im Laufe der eit veränderte Mythos Heirats- und Erstgebäralter: Relativ hohes Heiratsalter (24-28), bedingt relativ hohes Erstgebäralter „European marriage pattern“: Hohes Heiratsalter, hoher Anteil Lediger und damit auch Kinderloser, hohe Anzahl an Kernfamilien, geringer Anteil von vertikalen Mehrgenerationenfamilien Mythos geschlechtliche Arbeitsteilung: war gab es schon immer geschlechtsbezogene Tätigkeiten, aber eine strikte Trennung in den Haushaltsfamilien, insbesondere mit Produktionsfunktion, zwischen einem Innen- und einem Außenbereich, zwischen Familien- und Erwerbsbereich war nicht möglich. Mythos „Hausfrau“: Frauen waren früher umfassend erwerbstätig: „Insofern ist die in den letzten Jahrzehnten gestiegene Erwerbstätigkeit von Müttern kein neuartiges Phänomen, sondern bedeutet nur die Rückkehr von Frauen in früher innegehabte Positionen des Produktionsprozesses bzw. nunmehr verstärkt des Dienstleistungsbereiches.“ (Nave-Herz 2004: 40) Lediglich für die klassische bürgerliche Ehe war es typisch, dass die Frau nicht einer Erwerbsarbeit nachging (sie war aber für das Management eines sehr großen Haushaltes zuständig). Dieser Typus (der klassischen bürgerlichen Kernfamilie) generalisierte sich erst in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, und hielt nur 20-30 Jahre an.