Das Hinweisgeberschutzgesetz und was es für den Betriebsrat bedeutet

Da hat der deutsche Gesetzgeber sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Fast vier Jahre vergingen zwischen dem Inkrafttreten der Europäischen Hinweisgeberrichtlinie (EU) 2019/1937 am 16. Dezember 2019 und der Umsetzung in nationales Recht. Das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) vom 31. Mai 2023 ist mit kleineren Ausnahmen und Übergangsvorschriften seit dem 2. Juli 2023 wirksam.

Die Umsetzung in den Unternehmen ist komplex. Gibt es einen Betriebsrat, hat dieser umfassende Mitbestimmungsrechte. Ein informierter Betriebsrat kann sich bei diesem Thema nicht nur bei den Mitarbeitenden profilieren. Er leistet auch wichtige Unterstützung für den Arbeitgeber. Mit einem gut ausgestalteten Hinweisgebersystem wird der Betriebsrat Arbeitsklima und Unternehmenskultur positiv beeinflussen.

So alt wie die Trillerpfeife

Der Begriff des Whistleblowings ist so alt wie die Trillerpfeife im Mund des Polizisten, die berühmte Bobby Whistle. Auch in der deutschen Sprache kennen wir den Ausdruck „jemanden verpfeifen“. Wurden im 19. Jahrhundert in England und den ehemaligen Kolonien Polizisten als Whistle Blower bezeichnet, wandelte sich die Bedeutung ab den 1960er Jahren. Whistleblower waren zum Beispiel regierungskritische Informanten, und auch die Aufdeckung von Wirtschaftsskandalen ging auf ihr Konto. Spätestens seit dem Fall Edward Snowden ist die Wortschöpfung einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Nach der Finanzkrise gab es vor allem im Kapitalmarktrecht zahlreiche Ansätze, Hinweisgeber vor Benachteiligung zu schützen. In Deutschland beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit der arbeitsrechtlichen Behandlung von Whistleblowing vor allem im Hinblick auf den Kündigungsschutz.

Pflichten aus dem Hinweisgeberschutzgesetz

Das HinSchG setzt die EU-Richtlinie in deutsches Recht um. Es bezweckt den Schutz von Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße gegen Gesetze, interne Regeln oder ethische Grundsätze im Unternehmen erlangt haben und diese melden. Das Hinweisgeberschutzsystem soll es den Beschäftigten ermöglichen, Verstöße anonym zu melden, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Das Gesetz verbietet jegliche Repressalien gegenüber hinweisgebenden Personen und verpflichtet Unternehmen, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten.

  • Bei allen Unternehmen muss eine Möglichkeit für Hinweisgebende existieren, sich an eine externe Meldestelle zu wenden. Dies ist in der Regel eine Bundes- oder Landesbehörde, die für den jeweiligen Wirtschaftsbereich bzw. das zu meldende Thema zuständig ist, zum Beispiel das Bundesamt für Justiz, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder das Bundeskartellamt.
  • Unternehmen mit in der Regel mindestens fünfzig Beschäftigten müssen darüber hinaus eine interne Meldestelle errichten. Der Hinweisgeber hat die Wahl, ob er sich an eine externe oder interne Meldestelle wenden möchte.
  • In einigen Branchen und Sektoren gilt diese Verpflichtung unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten. Das sind insbesondere Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen, Energie, Regierungen und anderer öffentlicher Dienst.

Ab 250 Beschäftigten musste das HinSchG sofort mit Inkrafttreten am 2. Juli 2023 umgesetzt werden. Kleinere Unternehmen müssen sich beeilen, denn die Übergangsfrist zur Errichtung einer internen Meldestelle läuft zum 17. Dezember 2023 ab. Mehrere kleinere Unternehmen können sich entscheiden, eine gemeinsame Stelle betreiben.

Hinweisgeberschutzgesetz und Betriebsrat

Die Mitbestimmung beim Hinweisgeberschutzsystem ist ein wichtiges Thema für die Arbeitnehmervertretung. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Ausgestaltung des Hinweisgeberschutzsystems, um die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer zu wahren. Das Mitbestimmungsrecht ergibt sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in „Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“. Der Betriebsrat hat darauf zu achten, dass das System datenschutzkonform, transparent und fair gestaltet ist und dass die Hinweisgeber vor Diskriminierung und Repressalien geschützt sind. Beim Hinweisgeberschutz wird der Betriebsrat mitbestimmen, wie die vertrauliche Behandlung der Meldungen sichergestellt wird, wie die Hinweisgeber informiert und unterstützt werden und wie die Verstöße aufgeklärt und sanktioniert werden.

Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, muss der Betriebsrat über das Hinweisgeberschutzgesetz und das Hinweisgebersystem informiert sein. Er muss auch wissen, wie er die Rechte und Pflichten der Hinweisgeber und des Arbeitgebers überwachen und durchsetzen kann. Dafür sind spezielle Betriebsrat Schulungen notwendig, die den Betriebsräten das nötige Wissen über die komplexe Thematik vermitteln und ihre Kompetenzen stärken. Spezialisierte Anbieter wie das Poko Institut stellen Schulungsangebote bereit, die nicht nur das theoretische juristische Fundament vermitteln, sondern auch praktische Anwendungsbeispiele und Lösungsvorschläge beinhalten. Darauf sollte bei der Auswahl der Schulung besonderer Wert gelegt werden. Die Schulungskosten muss der Arbeitgeber tragen (§ 40 BetrVG).

Chancen des Gesetzes nutzen

Das Hinweisgeberschutzgesetz ist eine Chance für den Betriebsrat, sich als vertrauenswürdiger Ansprechpartner für die Arbeitnehmer, aber auch für die Geschäftsleitung zu positionieren. Es geht um mehr als nur Hinweise auf Gesetzesverstöße oder ethisch fragwürdige Verhaltensweisen. Begleitet durch die richtige Kommunikation, werden Mitarbeitende ermutigt, auf mögliche Fehler aufmerksam zu machen. Ein funktionierendes Hinweisgebersystem ist Teil einer Fehlerkultur, mit der Missstände frühzeitig erkannt und beseitigt werden können. Mehr Zufriedenheit und Motivation bei den Arbeitnehmern sind die Folge. Der Betriebsrat sollte daher das Hinweisgeberschutzgesetz als Chance nutzen und sich aktiv an seiner Umsetzung beteiligen.

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